Götterdämmerung Ludwig II

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
sehr geehrte Herren Staatsminister Fahrenschon und Dr. Heubisch,
lieber Herr Landrat Neiderhell,  sehr geehrter Herr Präsident Dr. Erichsen,
meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Festgäste,

„Alles was ist, endet.
Ein düstrer Tag
dämmert den Göttern.“
(Rheingold)

Götterdämmerung – Wotans, Walhalls, der alten Ordnung Untergang. Die Weltesche liegt gefällt für den Weltenbrand. Wirklich Zeiten-Ende oder nur Zeiten-Wende?
Diese Frage lässt Richard Wagner im Epos „Der Ring der Nibelungen“ offen. Dass er sich in vielen Anklängen auf die eigene Gegenwart, die Umbruchzeit des 19. Jahrhunderts, bezieht,
steht dagegen fest. Als die Götter in ihren gigantischen neuen Palast Walhall einziehen, sagt Loge:
„Ihrem Ende eilen sie zu,
die so stark im Bestehen sich wähnen…“
(Rheingold 1852)
Viele Zeitzeugen ahnten damals, dass sich gewaltige Veränderungen anbahnten. Die Industrialisierung griff mächtig aus. Die Bevölkerung explodierte, städtische Ballungsräume entstanden, die Eisenbahn rückte die Welt zusammen. Bürger, Techniker und Arbeiter rüttelten an den Grundfesten der alten Ordnung. Eine neue dämmerte herauf: das Zeitalter der Demokratie – unsere Welt.
Aus dieser spannenden Epoche erzählen wir Ihnen heute, liebe Festgäste, eine ihrer dramatischsten Geschichten: die Geschichte König Ludwigs II. und seiner Bayern. Sie ist vielleicht sogar die anrührendste; nicht umsonst begründete sie zwei Mythen: den Mythos Ludwig und den Mythos Bayern. Im Zeitalter der Globalisierung sind sie aktueller denn je. Es ist Zeit für eine Neuinszenierung. Es ist Zeit für eine Bayerische Landesausstellung. Wir erzählen sie in der Form des klassischen Dramas:
Es beginnt mit dem ersten Akt: Wie Ludwig König wurde. Kindheit und Jugend liegen bereits hinter dem Schleier der Legenden und Klischees. Jede Zeit hat sich ihr eigenes Bild Ludwigs gemacht. Bis heute prägten es vor allem die Filme der Regisseure Käutner und Visconti. Sie inszenierten die berühmte Romanze Ludwigs mit Elisabeth, der Kaiserin von Österreich. Die Realität sah anders aus.
Als Ludwig, noch keine 18 Jahre alt, gerade sein Universitätsstudium begonnen hatte, starb völlig unerwartet sein Vater König Maximilian. Die bayerische Verfassung sah den König in der Rolle eines Ministerpräsidenten, der die Politik steuern und seine Minister leiten sollte. Konnte diese Mammutaufgabe ein unerfahrener junger Mann bewältigen?
Die Antwort gibt der zweite Akt: Wie der König Krieg führen musste und einen Kaiser über sich gesetzt bekam. 1866 ging es um nichts weniger als die Souveränität Bayerns. Es ging aber auch um eine Neuordnung Deutschlands, ja Europas. Der Wiener Kongress von 1815 und der daraus hervorgegangene lockere deutsche Staatenbund hatten Deutschland eine 50-jährige Friedenszeit geschenkt. Dazu gehörte die Großmacht Österreich mit Böhmen und Ungarn. Die zweite Großmacht war Preußen, ganz anders als Österreich national ausgerichtet, mit einem politischen Schwergewicht an der Spitze: Bismarck, dem es um einen schlagkräftigen zentralistischen Nationalstaat unter preußischer Führung ging.
Es lief auf einen Krieg hinaus: 1866 siegte die überlegene preußische Militärmacht über Österreich. Bayern stand auf der Seite des Verlierers und wurde in einem ersten großen Schritt in Richtung kleindeutscher Nationalstaat gedrängt. (Der König widerstrebte genauso wie die Mehrheit des Landtags. Die Minister dagegen nahmen Kurs in Bismarcks Richtung.)
Das Land war uneinig. Die Altbayern, vor allem die Niederbayern und Oberpfälzer, hingen an Österreich. Sie sahen auch ohne Zukunftsgutachten sehr genau, welches Schicksal ihnen bevorstand: das Los des Grenzlandes. Die Großbürger der Industriestädte Augsburg, Nürnberg und München dagegen wünschten sich den Nationalstaat und sahen vor allem ihren wirtschaftlichen Vorteil. Der König zauderte. Das Gesetz des Handelns bestimmten Preußen und Bismarck.
1870 provozierten sie den Krieg gegen Frankreich, den alten bayerischen Verbündeten. Bayern marschierte diesmal auf preußischer Seite und siegte. 3000 Bayern ließen hierfür ihr Leben. Die Wogen der nationalen Begeisterung schwappten auch nach Bayern. Der bayerische Historiker Dr. Nepomuk Sepp schämte sich nicht, den Sieg über den „Erbfeind“ Frankreich zu bejubeln.
Und der König? Unter Zugzwang gesetzt, trug er dem preußischen König den Kaisertitel an. Wilhelm I. nahm an und Ludwig II. ging in die innere Emigration. Den Weg dorthin ließ er sich vergolden – durch Zahlungen aus dem Welfenfonds, die er zum Bau seiner Schlösser verwendete. Eine Alternative hätte er gehabt: die Abdankung. Dann wäre er zu recht als Ludwig der Bayer in die Geschichte eingegangen. – Und Bayern wäre ein Stück weit ärmer gewesen: ohne Königsschlösser.
Freilich, die letzte Entscheidung war auch so noch nicht gefallen. (Denn zum Beitritt Bayerns in das neue deutsche Kaiserreich war eine Verfassungsänderung notwendig.) Im Landtag wurde zehn Tage um den Beitritt gerungen. Den liberalen Reichsbefürwortern aus den Großstädten standen die bayerischen Patrioten gegenüber: Bauern, Handwerker, Beamte, Pfarrer und Adelige.
(Um die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen, musste die Patriotenpartei gespalten werden.) Eine gewaltige Drohkulisse wurde aufgebaut: König, Minister und Bischöfe hatten schon zugestimmt. Und realistisch betrachtet, gab es zum Reichsbeitritt kaum mehr eine Alternative. Es ging aber um mehr als eine rationale Entscheidung. Es ging um die Gewissensfrage.

Ein Abgeordneter lief in dem Disput zur Form seines Lebens auf: Dr. Edmund Jörg, gebürtiger Allgäuer, Staatsarchivar in Landshut, einer der markantesten Politiker des deutschen Katholizismus. Er beschwor eine freiheitliche internationale Ordnung Europas. Gelinge dies nicht, dann müssten die Völker Europas „bis an die Zähne bewaffnet, gegen einander stehen“.
Schließlich prophezeite er für den Fall der kleindeutschen Reichsgründung „in wenigen Jahren wieder einen Krieg, den Rachekrieg mit Frankreich, das dann nicht mehr ohne Alliierte sein wird.“ Und ganz am Ende fand er diese Worte: „Ich fühle mich nicht bevollmächtigt, unser liebes altes Bayerland an Preußen auszuliefern. Fragen Sie das Volk, ob es will oder nicht…“
Fragen Sie das Volk! Ein utopischer Aufruf für die damalige Zeit. Aber es ist schön, dass die bayerische Geschichte eine Reihe von Männern vorweisen kann, die sich im Januar 1871 nachdrücklich für Frieden, Freiheit und Demokratie einsetzten und dabei eine europäische Perspektive gewannen. 48 bayerische Patrioten blieben bis zuletzt ihrem Gewissen treu. Sie sind die wahren Helden des Jahres 1871.
Am Ende hat ihr Engagement nicht geholfen. Deutschland verspielte die europäische Chance und Bayern marschierte in einen militaristisch-undemokratischen Bund. Deshalb steht die weinende Bavaria am Ende des „Kriegsraumes“, den unser Gestalter Friedrich Pürstinger in blutiges Rot getaucht hat. Hier wie in der gesamten Ausstellung hat er den Inhalt in Bühnenbildern inszeniert. Von den heldenhaften Schlachtenpanoramen eröffnet sich der Blick auf die Realität des industriellen Kriegs. Die Fotos der zerstörten französischen Städte weisen auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs, den Edmund Jörg in seinen Reden vorhergesagt hatte.
Und Ludwig? Er verabschiedete sich aus seiner Residenzstadt und von seiner Aufgabe. Politische Initiativen gingen von ihm nicht mehr aus. Er ergab sich seiner Bauleidenschaft, die uns in den dritten Akt des Dramas führt.
Wie der König seine Gegenwelten schuf: 1869 hatte er bereits den Grundstein für Neuschwanstein gelegt, 1878 folgte Herrenchiemsee. Seit diese Bauwerke für den Besucherverkehr geöffnet wurden, faszinieren sie die Menschen.
Der „Run“ auf die Königsschlösser, wie wir ihn heute kennen, begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür war wesentlich mit ausschlaggebend das Interesse der Amerikaner.
1954 titelte beispielsweise die Illustrierte Life in einer Sonderausgabe über das westdeutsche Wirtschaftswunder „Germany a Giant awakened“ und brachte auf der Titelseite eine Aufnahme Neuschwansteins. Neuschwanstein wurde das Symbol für das andere, das neue Deutschland; eine späte Ehrenrettung für Ludwig und seine Bayern.
Dabei fragte man sich lange, ob der Ansturm auf die Königsschlösser tatsächlich als Kulturtourismus bezeichnet werden kann. Im Falle Linderhofs bedurfte es eines 1952 ergangenen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, um klarzustellen, dass der Besuch des Schlosses mit Grotte und Kiosk nicht vergnügungssteuerpflichtig sei.
Die Königsschlösser wurden vielfach mehr mit Kitsch in Verbindung gebracht. Hier ist es das Verdienst der Ausstellung Michael Petzets von 1968, die kunsthistorische Bedeutung der Ludwigschlösser offengelegt zu haben. Seinen Erkenntnissen folgt die Präsentation der Schlösserverwaltung in unserer Ausstellung, konzipiert von Johannes Erichsen, Sabine Heym, Katharina Heinemann, Uwe Schatz und Sybe Wartena. Ein Höhepunkt sind dabei die 3-D-Rekonstruktionen von Professor Gerd Hirzinger.
(In Herrenchiemsee hat der Besucher die einmalige Chance, in die Vorstellungswelt des bayerischen Königs einzudringen und sie am Original nachzuvollziehen. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit strebte Ludwig nach der perfekten Illusion, verwirklicht mit dem Hightech des Industriezeitalters. Ob er gewollt hätte, dass sich seine Schöpfung Besuchermassen öffnet? Das ist eine rhetorische Frage.)
Ludwigs Gegenwelten sind radikal anders und wer glaubt, sie wirklich durchdringen zu können, der irrt ganz gewiss. Benennen können wir Einflüsse und Grundlagen. Ganz entscheidend war für Ludwig die Welt des Theaters, vor allem die Musikdramen Richard Wagners. Die perfekte Illusion, daran arbeiteten beide wie besessen. Dabei war die Arbeitsgemeinschaft des alten Revolutionärs von 1848 und des von absoluter Herrschaft träumenden Königs schon etwas „schräg“. Aber warum sollte man gerade das nicht herausarbeiten? Dafür gab es in Bayern nur einen, dem wir das zutrauten, Christoph Süß, durch „quer“ als philosophisch fundierter Kabarettist ausgewiesen. Der Inhalt ist wissenschaftlich belegt, die Form modern und die Interpretation satirisch; echt bayerisch eben. Dies erschien uns auch als die richtige Überleitung zum vierten Akt des Dramas: Wie Ludwigs Königreich modern wurde.  Dabei stehen sich in zwei Räumen wieder Klischee und Realität gegenüber.
Das Klischee betrifft den Mythos Bayern. Bayern fremdelte im neuen deutschen Kaiserreich. Politisch zeigte sich dies vor allem am Kulturkampf. Bismarck bekämpfte die internationale katholische Kirche. Im Gegenzug entdeckte die katholische Bevölkerung althergebrachte Frömmigkeitsformen neu und brachte damit ihre Andersartigkeit widerständig zum Ausdruck. In Preußen wurde entsprechend gegen die Katholiken polemisiert: Sie seien reichsuntreu und romhörig, dem Aberglauben verfallen und rückständig.
Zur Skepsis kam aber auch das Staunen über das exotische Bergvolk, zum Beispiel bei den Oberammergauer Passionsspielen. Die Bayern spielten die Leidensgeschichte in einem Riesenspektakel nach. Unglaublich! Immer mehr Besucher aus dem Norden wollten das sehen. Deshalb steht im Zentrum unseres Bayernbild-Raumes die Inszenierung der Passionsspiele und zwar mit den Originalkostümen der letzten Aufführung. Vielen Dank hierfür an die Oberammergauer und Christian Stückl.
Überhaupt – das Schauspiel, das auch den König so stark faszinierte, war bald als bayerische Besonderheit wahrgenommen. Das Theater-Ensemble der „Münchener“ brachte es seit 1879 auf etwa 2.300 Aufführungen weltweit. Bei ihrem Gastspiel in Berlin hatte die preußische Presse noch eine „Invasion von Barbaren“ befürchtetet. Bald machte sich aber Enthusiasmus breit. Was waren die Bayern doch für ein originelles Völkchen; in eingekürzten Dirndln und Krachledernen, schuhplattelnd und jodelnd, mit der Schriftsprache angenäherten Dialekten, die trotzdem keiner verstand. Super!
Das musste man auch in natura gesehen haben. Der Bayerntourismus kam in Schwung und verband sich mit der beliebten Sommerfrische in der heilen Welt der Alpen. Das Bayern-Klischee war geboren und der Bayern-Kitsch war immer dabei. Schuld daran waren, wie ja überhaupt nicht anders zu erwarten: die Oberbayern.
Der Blick hinter die Klischees offenbart dagegen ein vielschichtiges Land, das auf dem Sprung ins Industriezeitalter war. Dabei hatte Bayern völlig andere strukturelle Voraussetzungen als die klassischen deutschen Industrieregionen. In Bayern gab es eben keine nennenswerten Kohlevorkommen und damit keine Schwerindustrie. Es half auch nicht, Kohle zu importieren, denn noch 1870 war in Süddeutschland der Preis für Ruhrkohle sechsmal höher als am Grubenort.
Daraus resultierte ein gewisser Rückstand, den Bayern aber seit Ludwig II. in großen Schritten aufholte. Vor allem in den Zukunftsindustrien Elektrotechnik und Chemie wurde Bayern führend. Basis war – heute wieder hochaktuell – das bayerische Know-how um Wassertechnik und Wasserenergie. Die ersten modernen Turbinen – eine französische Erfindung – liefen in Bayern. 1882 wurde die turbinenerzeugte Energie für die große internationale Elektrizitätsausstellung erstmals per Fernleitung von Miesbach in den Münchner Glaspalast transferiert. Hier trieb sie einen künstlichen Wasserfall an. Wenn er einmal funktionierte, was zugegeben selten der Fall war, war er die Sensation schlechthin.
Seit der Zeit Ludwigs II. wurde Bayern jenseits der Klischees modern, aber auch nicht ganz, blieb „diversifiziert“ und bei seinen Eigenarten. Bei seinen Schlossbauten griff Ludwig auf modernste Technik zurück. Berühmt sind seine Bemühungen um die illusionistische Ausleuchtung der Grotte in Linderhof in Verbindung mit führenden Chemikern und Physikern seiner Zeit. Diese brachten der BASF im damals bayerischen Ludwigshafen 1890 das Patent auf das Verfahren zur Herstellung künstlichen Indigos ein. Durch seine Projekte gab der König also manche Anstöße, die wirtschaftlich auf breiter Basis wirksam wurden und das königlich-bayerische Wirtschaftswunder am Ende des 19. Jahrhunderts mitbeförderten.
Es hätte eine richtige Erfolgsgeschichte werden können, wäre da nicht das Ende gewesen, der 5. Akt: Wie Ludwig starb und ein Mythos wurde. Die Entmachtung Ludwigs II. lief keineswegs unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab, sondern wurde von der Presse begleitet, teilweise in einer Art und Weise, die an eine Kampagne erinnert. In der Ausstellung haben wir versucht, die vielen Gerüchte und Halbwahrheiten vom Faktenkern zu lösen. Der König hatte sich immer rücksichtsloser seiner Bauleidenschaft hingegeben. 1884 betrug der Schuldenstand der Kabinettskasse aufgrund der Schlösserbauten bereits über acht Millionen Reichsmark. (Belastet wurde damit nicht der Staatsetat, sondern der Zivilfonds der Wittelsbacher, der sich aus den Zuweisungen des Staates an die Königsfamilie speiste.)
Die Wittelsbacher sahen die Entwicklung mit Besorgnis, denn der König verschuldete die Familie bereits in die übernächste Generation. Trotzdem wollten 1884 alle den Skandal vermeiden. Bismarck stellte aus dem Welfenfonds ein „Darlehen ohne Hoffnung auf Rückzahlung“ in Aussicht. Die Minister entwickelten einen Tilgungsplan und verordneten dem König einen Baustop.
Das Problem war nur, dass sich Ludwig nicht daran hielt. In Herrenchiemsee und Neuschwanstein wurde weitergebaut, der Grund für Schloss Falkenstein gekauft und Pläne für Chinesische und Byzantinische Paläste entworfen. Im Sommer 1885 hatten sich die Schulden dann nicht verringert, sondern verdoppelt. Jetzt wurde es brandgefährlich. Die Wittelsbacher sahen ihre Existenz bedroht, die Minister fürchteten um ihre Ämter und die Macht. Der König forderte die Unterstützung des Staates und drohte mit einer Kabinettsumbildung. Immer mehr Gerüchte über die exzentrische Lebensweise Ludwigs kursierten.
Familie und Minister waren nun überzeugt, dass der König abgesetzt werden musste. Den Weg wies die bayerische Verfassung: Im Falle der Erkrankung des Königs über ein Jahr war die Übernahme der Regentschaft möglich. Trotzdem grenzte die Ausführung an einen Staatsstreich der bayerischen Ministerialbürokratie. Grundlage für die Absetzung wurde ein Gutachten des führenden „Irrenarztes“ Professor Bernhard von Gudden, der Ludwigs geisteskranken Bruder Otto betreute. Er war fest davon überzeugt, dass auch Ludwig geisteskrank war.
Am 10. Juni 1886 wurde die Entmündigung des Königs und die Machtübernahme durch Prinzregent Luitpold öffentlich verkündet. Bereits einen Tag vor der Proklamation war eine elfköpfige Kommission nach Hohenschwangau gereist, um den ahnungslosen König gefangen zu setzen. Die Aktion wurde zum Desaster: Die örtlichen Polizisten und Feuerwehrleute nahmen die Kommissionsmitglieder gefangen. Der König ließ jedoch tags darauf die Abordnung nach München zurückkehren und verharrte unschlüssig auf Neuschwanstein. Eine zweite Kommission wurde entsandt. Ludwig fügte sich in sein Schicksal.
In einer verriegelten Kutsche wurde er nach Schloss Berg verbracht. Wenn wir den Zeugenaussagen glauben können, verlangte er nach Gift. Am Pfingstsonntag machte er gegen 18.45 Uhr einen Spaziergang. Er befand sich nur in Begleitung von Dr. Gudden.
Als der König und sein Arzt nach eineinhalb Stunden noch nicht zurückgekehrt waren, ließ man die beiden suchen. Kurz vor 23.00 Uhr fand man sie tot im Starnberger See.

Das Ende des Dramas und der Beginn des Mythos: Was war geschehen? Bald schon kursierten Mordtheorien und bis heute wird über den Hergang des Unglücks spekuliert. Die Indizien deuten auf einen Fluchtversuch, Unfall oder Selbstmord. Der tragische Tod des Königs offenbarte das Ende einer Epoche: Götterdämmerung. Eine Generation später war die bayerische Monarchie und das deutsche Kaiserreich am Ende.

Was bleibt? Die gewaltigen Rüstungsanstrengungen Kaiser Wilhelms II. führten in einen fürchterlichen Vernichtungskrieg. Von der großen deutschen Flotte, für Abermillionen Mark aufgerüstet, ist nichts übrig geblieben. Die Schlösser Ludwigs II. stehen dagegen heute noch. Und kaum jemand kann sich ihrer Faszination entziehen.

Es bleibt auch das Vermächtnis der bayerischen Patrioten, das in der Vorstellung vom „Europa der Regionen“ weiterlebt. Wir werden uns in Zukunft auf beides besinnen müssen, europäische Einigungen und regionale Lösungen. Den Weg wird der demokratische Föderalismus weisen. Alles was Vielfalt bietet und Gemeinschaft schafft, unsere bayerischen Traditionen und Dialekte, werden dabei nützlicher sein als viele heute glauben. (Und selbst wenn man sich heute als bayerisch sprechender Eingeborener in München vorkommt wie auf Freigang aus dem Indianerreservat, lohnt es sich, wie Ludwig und seine Bayern, auf Eigenarten zu beharren und für Vielfalt einzutreten.)

Damit ist unsere Geschichte zu Ende erzählt. Es bleibt zu danken, den vielen, die unsere Landesausstellung ermöglicht haben. Besonders danke ich dem Bayerischen Landtag, den maßgeblich beteiligten Staatsministern und ihren Vorgängern und ganz besonders Ihnen, Herr Ministerpräsident. Sie eröffnen heute schon die dritte Landesausstellung in Folge. Das ist uns eine ganz besondere Ehre!
Danken möchte ich allen Sponsoren und Förderern, den Leihgebern, Wissenschaftlern und Restauratoren, unseren Partnern von der Schlösserverwaltung mit Johannes Erichsen und Josef Austermayer, vom Landkreis Rosenheim mit Landrat Neiderhell und Klaus Schönmetzler sowie den Kollegen von der Bayerischen Staatskanzlei mit Roland Krebs, der den Festakt heute glanzvoll organisiert hat.
Ganz besonderer Dank gilt unserem Gestalter- und Aufbauteam mit Friedrich Pürstinger und Matthias Held, die die außergewöhnlich schwierige Baustelle hervorragend bewältigten. Bayern und Österreicher sind zusammen heute wieder unschlagbar. Und last but not least danke ich dem Team des Hauses der Bayerischen Geschichte. Projektleiter Peter Wolf hat die Hauptlast der Arbeiten souverän bewältigt und alle Beteiligten bestens koordiniert.
Ihm zur Seite standen engagiert und kundig Judith Bauer, Evamaria Brockhoff, Margot Hamm, Elisabeth Handle, Andreas Jell, Barbara Kink, Isabel Leicht, Clemens Menter, Andrea Rüth, Caroline Sternberg und vor allem unser lieber Kollege Christian Lankes, der diese Eröffnung nicht mehr erleben durfte.
Sie alle zusammen haben eine wirklich außergewöhnliche Landesausstellung geschaffen mit viel Esprit und Kreativität, eine Neuinterpretation der spannenden Geschichte Ludwigs II. und seiner Bayern, aufgeführt mit den modernsten Medien unserer Zeit.
Wir freuen uns, liebe Festgäste, auf Ihre Resonanz, auf Lob, Begeisterung, Kritik und Diskussion. Wir freuen uns auf ein großes Ludwig- und Bayernjahr 2011.
Vielen Dank.

Schreibe einen Kommentar